Nützliche Vorüberlegungen für trans Menschen bei Demos und Aktionen

Trans Menschen sind auf Demos besonders gefährdet. Im folgenden Text wird auf einige Vorüberlegungen eingegangen, die ihr machen könnt, wenn ihr trans (maskulin) seid und auf Demos mit Action gehen wollt.

Im Text wird es Erwähnungen und grobe Beschreibungen von Transfeindlichkeit und Polizeigewalt geben. Der erste Teil geht vor allem auf Binding ein und im zweiten Teil geht es um Konfrontation mit Cops, (Aktions-)Namen, Durchsuchungen und Sachen nach der Demo/Aktion.

Binding

Wenn ihr abbindet: Überlegt euch welche Binding Methode euch am besten atmen lässt. Wenn ihr bei keiner gut atmen könnt, aber binden wollt, solltet ihr eure Aktionen einschränken. Wenn ihr etwa mit Binder in ernsthafte Atemnot geratet und nichts mehr geht wird a) als erste Hilfe euer Binder aufgeschnitten um euch besseres atmen zu erleichtern (was wichtig ist!), allerdings könnt ihr euch selbst überlegen wie angenehm ihr die Vorstellung findet b) wird an eurem Körper feststellbar sein dass ihr abgebunden habt. Damit ist Atemnot vorsätzlich selbstverschuldet, was bedeutet, dass die Versicherung Kosten nicht übernimmt. Das solltet ihr von Sport allgemein kennen. Allerdings werdet ihr in Demo-Situationen nicht wie im Fitnessstudio immer kurz für Atempausen verschwinden können und die Polizei nimmt keine Rücksicht auf eure komprimierte Lunge wenn sie euch durch Straßen jagt.

Ihr könnt euch also überlegen, was für euch in Frage kommt, dass kann etwa auch ein Binder mit Reißverschluss sein, der sich auch unter Kleidung öffnen lässt. Da wie erwähnt die Cops keine Rücksicht nehmen, probiert eure Methode am besten vorher aus. Beachtet, dass ihr vor allem im Sommer schwitzt und dadurch etwa Tape schneller abgehen kann und behaltet allgemeine Richtlinien wie nicht länger als 8 Stunden zu binden im Kopf. Habt zudem etwas dabei, falls ihr euer Tape oder euren Binder abmachen müsst. (Beziehungsweise geht Tape ja auch gerne ohne zutun ab). Das kann für euch unterschiedlich ausschauen: ein größerer Binder, ein Sport BH oder vorbereitetes Tape. Überlegt euch, ob ihr einen großen Pullover braucht, mit dem z.B. kein Binder/Tape tragen für euch disphoria-technisch aushaltbarer wird. Außerdem ist es ratsam einen Menschen in der Bezugsgruppe zu haben, welchem ihr mitteilen könnt, wenn ihr zwecks Binding etwas tun müsst.

Passt auf euch auf, hört auf euren Körper und trinkt ausreichend.

Namen, Konfrontation mit Cops, Durchsuchungen & Ausweise

Andere verraten euch ihren “richtigen” Namen und Geburtsdaten, bei euch sollte mindestens einer aus eurer Bezugsgruppe den Namen von eurem Personalausweis wissen, da der bei vielen von uns nicht mit dem richtigen Namen übereinstimmt. Das ist unangenehm und schwierig, allerdings solltet ihr euch der Gefahr nicht aussetzen allein den Repressionsbehörden überlassen zu sein. Ohne den Namen, keine Action! (Es ist übrigens auch nicht schlau euren richtigen Namen als Aktionsnamen zu benutzen, auch wenn dieser nicht auf dem Ausweis steht!) Für euch kann es auch sinnig sein, einen Demo-Buddy zu haben, welcher voraussichtlich in die gleiche Gesa wie ihr eingeordnet wird.

Es ergibt Sinn, mit eurer Bezugsgruppe nochmal Sorgen, Ängste und Wünsche durchzugehen und auch solche bezüglich des trans-Seins sind berechtigt. Dazu gehört auch Bullen für euch anzubrüllen wenn sie transphobe Scheiße von sich geben! Wichtig ist, dass ihr einander vertrauen könnt, euch ernst nehmt und den anderen mitteilen könnt, wenn euch etwas mitnimmt. Habt Verständnis und seid lieb.

Desweiteren solltet ihr euch überlegen wie ihr mit Bullen umgehen wollt und euch eventuell entsprechend kleiden um Diskriminierung auszuweichen. Besonders meine ich, welchen Namen ihr der Polizei nennt/einfordert. Theoretisch gilt etwa, dass die Polizei euren DGTI Ausweis akzeptieren muss. Praktisch macht die Polizei was sie will und ihr könntet dadurch mehr Diskriminierung erfahren. Auch könntet ihr euch dazu entscheiden, auch ohne Ergänzungsausweis, euren richtigen Namen einzufordern. Hierbei ist es besonders praktisch zu wissen, was eure Rechte sind und voran sich die Polizei theoretisch halten muss. Ein DGTI Ausweis kann für euch aber auch praktisch werden: etwa wenn die Polizei euch zwar komplett richtig liest, euer Personalausweis aber ganz und gar nicht nach euch ausschaut. Dabei kann der Ausweis die Erklärung sein, die euch Ärger ersparen kann. Hierbei ist besonders praktisch zu wissen, welche Rechte ihr habt und woran sich die Polizei theoretisch halten muss. Wenn ihr das laut und sicher kommunizieren könnt, kann es dafür sorgen, dass die Bullen sich mit ihrer diskriminierenden Art zurücknehmen. Es kann euch aber auch Transphobie aussetzen, also versucht selbst einzuschätzen was in eurer speziellen Situation am besten ist.

Auch wenn die Polizei es wieder einmal nötig hat euren Vor- und Zunamen allen umstehenden Personen bekannt zu machen oder ihn euch vielleicht auch noch ein dutzend Mal wiederholen lässt. (Besonders, wenn ihr kein Ausweisdokument zur Hand habt).

Lasst in eure Entscheidung außerdem einfließen, ob ihr von Polizist oder Polizistin durchsucht werden wollt. Wie gesagt: Bullen machen was sie wollen und sind nicht dafür bekannt auf irgendeine Weise transfreundlich zu sein. Es ist schon vorgekommen, dass non-binäre Menschen bei Polizeikontrollen eben wegen ihrer Nicht-Binarität nicht durchsucht wurden, oder sich selbst durchsuchen sollten. Das Outing wird aber wahrscheinlicher in Transphobie enden, oder darin, dass ihr euch aussuchen könnt, ob ihr von einem Mann oder einer Frau durchsucht werdet.
Für euch kann es nützlich sein, dass wenn ihr euch dafür entscheidet von einer Frau durchsucht zu werden ihr damit Zeit für eure Kompliz*innen schindet, indem ihr darüber diskutiert eben von dieser durchsucht zu werden. Zum anderen ist nicht nicht immer eine Bullin anwesend um euch zu durchsuchen, was bedeutet, dass Bullen eine ranfahren müssten. Das kostet Zeit, die sie sich nicht immer nehmen. Mittlerweile achten sie aber darauf und sehr selten ist keine dabei.

Stellt euch darauf ein, dass die Polizei euch so durchsucht, wie sie das will.
Bereitet euch seelisch-moralisch darauf vor bei einer Festnahme in den falschen Knast/Gesa gesteckt zu werden. Aber lasst euch verdammt nochmal nicht alles gefallen. Setzt euch für euch selbst und eure Freund*innen ein, wenn ihr Kraft dazu habt. Ärgert euch nicht zu sehr über euch selbst, wenn ihr Sachen über euch ergehen lasst, um Diskriminierung auszuweichen, weil ihr Mal keine Kraft habt. Die Bullen sind das Problem, nicht ihr.

Anmerkung: Viele von uns können mit ihrer Erscheinung spielen und kontrollieren wann sie wie gelesen werden. Ihr könnt das zum Beispiel Einfluss auf eure Wechselkleidung nehmen lassen. 😉

Nach der Aktion/Demo

Wenn ihr von transfeindlicher Polizeigewalt oder Gewalt von extrem Rechten ausgesetzt gewesen seid, fertig ein Gedächtnisprotokoll an und meldet euch z.B. bei https://www.raa-sachsen.de/
oder anderen Beratungsstellen. Bei diskriminierungsspezifischer Gewalt gibt es das www.adb-sachsen.de/de.

Wenn Hausdurchsuchungen zu befürchten sind, wird empfohlen bei WG’s die Türen mit Namen zu kennzeichnen. Das die Polizei sich nicht unbedingt daran hält ist klar, aber es ergibt im Zweifelsfall trotzdem Sinn. Weil die Polizei euren richtigen Namen nicht akzeptiert, muss der Name vom Ausweis an die Tür. Um den nicht dauerhaft sehen zu müssen, empfiehlt sich, dass ein Zettel drüber hängt, der darauf hinweist, dass unten drunter der Name der Person steht, welche im entsprechenden Bereich lebt. Also z.B. steht dann auf einem Zettel:

Dieses Zimmer wird ausschließlich benutzt von: (bitte wenden)

Und unten drunter steht dann direkt an der Tür: [Vor- und Zuname]

Das ist natürlich ein Kompromiss zwischen gar keinem Bezeichner und jedes Mal den Deadname lesen müssen. Am besten führt ihr euch dazu noch einmal die Broschüre der Roten Hilfe zu Gemüte

Für Anmerkungen, Ergänzungen oder weitere Erfahrungen, schreibt entweder eine Nachricht an @enderlin161 auf Twitter oder socialmedia@ende-gelaende.org (PGP-Key) eine E-Mail.