Unsere Barrieren durchfließen! Inklusion und Barriere“freiheit“ bei Ende Gelände

Barrierearm in die Massenaktion gegen fossiles Gas vom 29.7. – 2.8.2021 in Brunsbüttel

Auch dieses Jahr arbeiten wir wieder daran, in der Aktion gegen fossiles Gas in Brunsbüttel Barrieren verschiedenster Art abzubauen. Wie das konkret aussehen kann, hängt maßgeblich von den Kapazitäten ab, die wir als Gruppe und als Bündnis haben. Um möglichst vielen Menschen den Zugang zur Aktion zu ermöglichen, rufen wir insbesondere abled Aktivist*innen (abled = Rückbildung von englisch disabled, also Aktivist*innen ohne Behinderung) dazu auf, sich an der Gestaltung einer barrierearmen Aktion zu beteiligen. Komplette Barrierefreiheit können wir in einer Welt der kapitalistischen Verwertungslogik von Menschen nicht erreichen, aber wir kämpfen gemeinsam dafür!

Ganz konkret suchen wir derzeit noch

  •     Menschen, die Gebärdensprache dolmetschen können
  •     Menschen die Assistenz anbieten können (s. Assistenz-Buddy-System)
  •     Bezugsgruppen die in der Aktion einen More Silent Space anbieten (s. More Silent Space)

Das Assistenz-Buddy-System 

Mit diesem Buddy-System möchten wir Menschen miteinander in Kontakt bringen, die vor, während und nach der Aktion Assistenz benötigen oder jeweils anbieten können.
Du möchtest bei der Aktion mitmachen, dir fehlt aber noch ein:e Buddy:, die dir auf der Anreise oder während der Aktion auch Assistenz leisten kann? Sag uns, was deine Bedürfnisse sind, und was du persönlich brauchst.
Du möchtest gern Assistenz anbieten? Sag uns am besten, welche Form der Unterstützung du dir gut vorstellen kannst.
Schickt uns eure Infos und wir versuchen, euch miteinander in Kontakt zu setzen, sodass ihr euch am besten schon vor der Aktion mal treffen und zusammen zur Aktion kommen könnt.
Wenn ihr Assistenz sucht oder anbieten könnt, meldet euch gerne hier: barrierearm-in-die-aktion@ende-gelaende.org (PGP auf Anfrage vorhanden) (Kontakt zum System Change Camp 2023: camp@ende-gelaende.org)

More Silent Space

Die Idee ist es, innerhalb des Fingers Räume zu schaffen, in denen es leiser und ruhiger ist als im Rest des Fingers. Auf lautes Rufen und sonstige laute verbale Äußerungen soll möglichst verzichtet werden. Ebenfalls wollen wir versuchen, dass der More Silent Space auch ein Schutzraum für Menschen ist, die in hektischen Situationen mehr Ruhe brauchen, z.B. wegen Hochsensibilität oder anderen Neurodiversitäten. Die Idee ist, genügend Bezugsgruppen zu finden, die dafür sensibilisiert werden und damit Menschen mit höherem Ruhebedürnis schützen. Natürlich können Situationen auftreten, in denen es auch im More Silent Space mal hektisch wird und die Polizei wird sich wahrscheinlich nicht an unsere Konzepte halten. In einem solchen Fall soll versucht werden, die Menschen in die Mitte zu nehmen und die Situation nach Möglichkeit schnell wieder zu beruhigen. 

Mobilitätssupport

Außerdem sind einige Rollstühle vorgesehen, die in Aktion genutzt werden können, z.B. von Menschen mit chronischen oder vorübergehenden Erkrankungen und/oder mobilen Einschränkungen. Infos dazu, wo ihr diese findet, gibt es auf dem Camp. 

Camp 

Die Planungen für ein möglichst barrierearmes Camp laufen bereits auf Hochtouren. Eine Liste mit Dingen, die dazu bereits mitgedacht worden sind, findet ihr hier: 
Welche Finger in welcher Form barrierarm sind, wird spätestens im Aktionsplenum auf dem Camp bekannt gegeben. 
Solltet ihr jetzt schon Fragen oder Anmerkungen haben, dann meldet euch gerne hier: 
    
barrierearm-in-die-aktion@ende-gelaende.org (PGP auf Anfrage vorhanden)

Inklusion als Sahnehäubchen?

Das Leben von vielen Menschen ist von massiven Barrieren geprägt.  Manche davon sind sichtbar, andere sind unsichtbar, alle sind gewaltvoll. Sie beruhen auf benachteiligenden Macht·verhältnissen. Sie existieren bei der Lohn·arbeit, im sozialen Leben oder in polit-aktivistischen Kontexten. So auch in der Klima·gerechtigkeits·bewegung. Auch bei Ende Gelände.

Wir müssen die Ungerechtigkeiten bemerken und gemeinsam dagegen kämpfen. Der Weg zu einem inklusiveren Aktivismus ist noch lang. Es ist nicht genug, ein theoretisches Bewusstsein dafür zu haben. Der Kampf gegen die unterschiedlichen Formen der Diskriminierung innerhalb von Ende Gelände soll aktiv und konkret werden.

Inklusion ist kein Sahnehäubchen on top, kein nice-to-have.
Inklusion muss Teil unseres Grundverständnisses als emanzipatorische Bewegung sein.

Auf den Baggern, die wir besetzen, steht „Kohleausstieg ist Handarbeit“.
Am Anfang jedes Plenums sollte laut und deutlich gesagt werden: „Inklusion ist Handarbeit“.
Unsere Strukturen sollen barrierefreier werden. Dazu gehören: die Plenumsräume, die Sprache, die wir dort verwenden, die Aktionstrainings und der Tag der Aktion.

Wir möchten euch einladen, selbst als Aktivistis* Teil von diesem Barriere·abbau zu sein.
Seid freudig und selbstkritisch!

Wir lassen uns nicht be_hindern! Wir wollen bei Ende Gelände solidarische und barriereärmere Räume gestalten. Wir wollen Räume, die für alle zugänglich sind. Barrierefreiheit heißt: auf individuelle Bedürfnisse eingehen und Selbstbestimmung und Teilhabe für alle erkämpfen.

Wir wissen, dass es bei Ende Gelände noch viele Barrieren gibt. Unsere Website ist zum Beispiel noch nicht barrierefrei. Wir arbeiten zu diesem Thema und freuen uns wenn sich Menschen bei uns melden, die uns dabei unterstützen.

Der Kampf für Klimagerechtigkeit ist auch ein Kampf für eine gerechtere Gesellschaft. Eine Gesellschaft in der sich alle entfalten können und in der die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden. Gesellschaftliche Normen sind konstruiert – lasst sie uns dekonstruieren.

In diesem Sinne: System change, not climate change!

 

Warum es den Bunten Finger nicht mehr gibt

Der Bunte Finger entstand 2019 für Menschen mit Unterlassungserklärungen, Menschen mit  körperlichen Einschränkungen und für Menschen mit Kindern. In der Ende Gelände Massenaktion 2019 blockierte er im rheinischen Braunkohlerevier erfolgreich eine Zufahrtsstraße zum Tagebau und im Dezember 2019 in der Lausitz eine Schiene der Kohlebahn. Bei der Aktion im September 2020 im Rheinland fuhr der Bunte Finger mit Bussen zum Aktionsziel und wurde dort kurz vor der Ankunft mit massiven Polizeirepressionen konfrontiert. 
Der Bunte Finger war damit eine Möglichkeit für Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen, bei einer Massenaktion von Ende Gelände mitzumachen. 
Dieser Finger versuchte, Aktionsformen zu finden, bei denen möglichst viele Menschen mitmachen können. Egal, ob sie sich rollend oder laufend, schnell oder langsam fortbewegen. 
 
Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. 
Wir haben uns im letzten Jahr intensiv mit dem Selbstverständis des Bunten Fingers auseinandergesetzt und haben grundsätzliche Kritik am Konzept des Bunten Fingers bekommen. 
In der Gruppe, die den Bunten Finger mit vorbereitet hat, gibt es Menschen mit körperlicher Behinderung, viele sind aber auch able-bodied positioniert.

Inhalte, die wir dabei bedacht haben, waren: 

    
  • Wieso wird die Idee, eine Aktion barrierearm zu gestalten, in einen einzelnen Finger ausgelagert? 
  • Sollten wir nicht versuchen, insgesamt als Bündnis mehr Barrieren abzubauen und Zugang für alle zu bieten? Zugang (von engl. accessibility) bedeutet für uns dass jedem Menschen, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Alter oder von körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird.
  • Wieso heißt der Finger „Bunt“ während alle anderen Finger eine einzelne Farbbezeichnung haben?

Unser Fazit daraus ist: 

  • die Idee, einen von mehreren Fingern barrierearm zugänglich zu gestalten, ist gut, aber das reicht noch lange nicht. In Zukunft sollen mehrere und am besten alle Finger in einer Weise barrierearm zugänglich sein. Alle Aktivistis (und Fingerstrukturen) sollen sich mit ihren (privilegierten) Positionierungen in Bezug auf Ableismus auseinandersetzen. Und reflektieren, mit welchen Mechanismen Menschen grundsätzlich von einer Massenaktion ausgeschlossen werden oder nur mit hohen Hürden teilnehmen können. 
  • es ist gleichzeitig extrem schwierig, diese Barrieren abzubauen, die gesellschaftliche Institutionen uns von klein auf als „natürlich“ zu erklären versuchen und den System Change schaffen wir nicht an einem Tag. Wir sind uns bewusst, dass es eine große Herausforderung  ist, unsere sozialisierten Bilder von Körpern und Fähigkeiten abzulegen und wollen uns gegenseitig kritisieren und empowern, genau dies zu tun. 
Deswegen gibt es nicht mehr den einen “Bunten Finger”. 
Sondern viele Finger mit unterschiedlichen Farben, die in Zukunft den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden sollen

Rückblick

Mit dem Bunten Finger haben wir vom 23.-28. September 2020 eine barriereärmere und inklusivere Aktionsform gestaltet.
Einen Rückblick zum Bunten Finger von der Aktion 2020 findet ihr hier.

Unser zweiter Newsletter

Weitere und neuere Informationen findet ihr im zweiten Newsletter der Inklusions-AG vom Mai 2021.