Awareness-Konzept Camps und Aktion auf Rügen 2023

Wir verstehen Awareness als Aufgabe von uns allen. Damit wir eine gute Zeit gemeinsam haben, braucht es auch Menschen, die Awarenessschichten übernehmen. Wollt ihr eine Schicht übernehmen meldet euch im Awarenesszelt.  Dafür werden regelmäßige Onboardings für die Awareness Schichten im Awareness Zelt angeboten.
Awareness auf den Camps:

Auf den beiden Camps ist das Awarenesszelt zwischen 9 und 21 Uhr besetzt. Wir sind ansprechbar, wenn ihr grenzüberschreitendes Verhalten, diskriminierende Vorfälle oder Gewalt erlebt oder ihr einfach jemanden zum Reden braucht.

Wir sind unter awareness-ruegen23@systemli.org erreichbar. Wenn ihr Bedürfnisse an barrierearme Zugänge an das Camp und die Aktion habt, könnt ihr euch auch hier melden und wir versuchen, das so gut wie möglich zu ermöglichen. Leider können wir nicht gewährleisten, dass alle Räume auf beiden Camps barrierearm zugänglich sind. Barrierearmut kann leider nur auf dem Camp in Frankenthal gewährleistet werden. Dort gibt es ein Zelt mit Liegen, E-Rollis können geladen werden, es gibt betonierte Wege.

Wir haben außerdem für jedes Camp eine Notfallnummer, die rund um die Uhr auch nachts erreichbar ist.

Awareness-Notfallnummer für das Frankenthal-Camp: 015216423134
Awareness-Notfallnummer für das Cliff-Camp (ab Freitag): 015216423155

Die Notfallnummern könnt ihr auch anrufen, wenn ihr in dringenden Notfällen von einem Shuttle abgeholt werden müsst.

 

1. Was ist Awareness?

Der Begriff “Awareness” kommt aus dem Englischen „to be aware“ und bedeutet (im weiteren Sinne) „sich bewusst sein, sich informieren, für gewisse Probleme sensibilisiert sein“. Wir leben in einer Gesellschaft, die von ungleichen Machtverhältnissen geprägt ist. Menschen werden aufgrund bestimmter Merkmale bevorteilt (Privilegierung) und benachteiligt (Diskriminierung) – ob absichtsvoll oder unbewusst ausgeübt. Awareness stellt sich als Konzept gegen jede Form von Diskriminierung, Gewalt und Grenzverletzung. Verletzendes und grenzüberschreitendes Verhalten, wie z.B. sexistische, rassistische, antisemitische, queerfeindliche, ableistische, klassistische oder andere diskriminierende Übergriffe, werden auf den Camps und der Aktion nicht toleriert.

 

2. Warum brauchen wir Awareness?

Die Camps bietet Teilnehmer*innen den Raum miteinander zu lernen, sich zu vernetzen und unsere widerständige Bewegung weiter auszubauen. Jedem anwesenden Menschen sollte ein barrierearmer Zugang zu Veranstaltungen, Programmpunkten und gemeinsamen Protest im Rahmen der Camps ermöglicht werden. Jedoch ist kein Mensch vorurteilsfrei und diskriminierungsfrei im Umgang mit anderen. Deshalb muss eine bewusste Reflexion darüber bei jeder einzelnen Person stattfinden (Kritische Selbstreflexion). Wir können euch als Awareness-Team diese Arbeit nicht abnehmen. Wir bieten aber an, euch dabei zu begleiten.

 

3. Wie funktioniert Awareness Arbeit?

Awareness-Teams oder -strukturen auf Veranstaltungen sind ansprechbar für Menschen, die Grenzüberschreitungen oder Konflikte mit anderen erlebt haben oder ein persönliches Thema haben und sich im Umgang damit Unterstützung wünschen. Hierbei kann es sich um jegliche Wahrnehmung von Machtgefällen (z.B. cis-männliches Dominanzverhalten), Benachteiligung, Ausgrenzung und die Überwindung aktuter Trigger (aus dem Englischen „Auslöser“ persönlichen Unwohlseins) handeln. Auch für Menschen, die Polizeigewalt erfahren haben, ist das Awarenessteam ansprechbar. Wir arbeiten parteilich und in Solidarität mit betroffenen Personen. Dabei liegt die Definitionsmacht über die erfahrene Gewalt und/oder Grenzüberschreitungen vollständig bei der betroffenen Person.
Es gibt Personengruppen, die systemisch stärker von Diskriminierung betroffen sind als Andere. Daher  wird es einen Safer Space für BIPoC geben (Black, Indigenous and People of Color) als Rückzugsort geben. Es wird außerdem einen Ruhe- und Rückzugsraum geben, der allen Menschen offensteht. In Teams von mindestens zwei Personen pro Schicht sind wir von 9-21 Uhr, in dem als Awareness gekennzeichneten Zelt auffindbar. Zwischen 21 und 9 Uhr sind wir über die Nummer des Awareness Telefons erreichbar. Zudem versuchen wir, bei den Camp-Plena und stattfindenden Workshops anwesend und ansprechbar zu sein. Darüber hinaus wird es auch bei angekündigten Aktionen Awarenessstrukturen geben. Du kannst uns an der violetten Weste erkennen.

 

4. Wie kannst du unterstützen?

Wir als Awareness-Team bieten von Diskriminierung betroffenen Personen konkrete Unterstützung an. Was wir NICHT leisten (können) ist z.B. Konfliktmanagement, Streitschlichtung oder therapeutische Arbeit. Einen sicheren Raum schaffen wir nur gemeinsam und jede*r Einzelne von uns ist verantwortlich dafür, dass das gelingt. Sei also achtsam im Umgang mit anderen Campteilnehmer*innen und informiere dich bestenfalls auch schon im Vorfeld über mögliche Formen von Diskriminierung. Hier schon einmal eine kleine Zusammenfassung aus dem fabelhaften „Glossar gegen Angst vor Wörtern“ des Missy Magazine: 
    
„Aus der binären Gegenüberstellung von Emotion und Vernunft, die in der westlichen Denktradition und im Patriarchat seit Jahrhunderten tief verankert ist, folgt eine Gegenüberstellung von „rationalen Expert*innen“ vs. „irrationalen Betroffenen“. Wer als Person von der Dominanzgesellschaft der letzteren Kategorie zugeordnet wird, wird oft nicht ernst genommen, der wird mit Mitleid oder Irritation begegnet, wird misstrauisch beäugt und belächelt“, wird unterschätzt, wird übergangen, der werden ihre Rechte abgesprochen. Das führt zu diskriminierenden Verhaltensweisen in vielen Formen. Es folgt eine unvollständige Auflistung:
  • Tone policing, bei dem nicht auf das Gesagte sondern auf einen vermeintlich unangebrachten, „aggressiven“ Tonfall eingegangen wird.
  • „Wenn eine Entscheidung ausschließlich auf der Grundlage des Alters getroffen wird, anstatt aufgrund der Fähigkeiten eines Menschen“, ist das eine Form von Altersdiskriminierung.         
  • Die Grundbedürfnisse einer Person mit Behinderung werden nicht mitgedacht, weil sie nicht der Norm entsprechend erfüllt werden können. Das und eine generelle Abwertung (auch intelektuell) der Person aufgrund ihrer Behinderung nennt sich Ableismus (abgeleitet von „fähig sein“).
  • Eine alltägliche auftretende Form von Diskriminierung sind Mikroaggressionen (abfällige Blicke e.g. Starren, Gesten, Körperhaltung, Bemerkungen oder Geräusche), die absichtsvoll oder unbewusst Resultat diskriminierender Denkmuster sind. Diese betreffen besonders marginalisierte Gruppen. Oft wird die Person, die Mikroagression erfährt, beschuldigt, „zu sensibel“ zu sein.         
Des Weiteren gilt „check your privilige“:
Privilegien sind – je nach Kontext unterschiedlich ausgestaltete – Vorteile, die eine Person aufgrund der aktuellen Gesellschaftsordnung genießt. Darunter fallen Positionen wie weiß, männlich, cisgender, mit Kapital ausgestattet oder able-bodied. Je nachdem, welche Ausgangsprivilegien eine Person besitzt, ist es möglich, im Laufe der Zeit weitere Privilegien dazuzugewinnen – zum Beispiel ökonomische oder auch im Sinne von Bildung.
Hilfreich bei der kritischen Auseinandersetzung darüber weiß zu sein, ist eine von Peggy McIntosh entwickelte Checkliste, welche ihr im Awareness-Zelt finden könnt oder hier: https://www.ende-gelaende.org/wp-content/uploads/2021/07/McIntosh-White-Privilege.pdf

 

5. Was wir als Awareness uns von euch wünschen:

  • Lauft bitte nicht oben ohne herum und bedeckt euren Oberkörper.         (http://www.klimacamp-im-rheinland.de/campinfo-2/vereinbarungen/oben-ohne/)         
  • Respektiert die Pronomen anderer Menschen und schreibe Menschen niemals aufgrund ihres Äußeren ein Geschlecht zu! Frage Menschen immer, wie sie angesprochen werden wollen.
  • Unterlasst rassistische, antisemitische, sexistische, homo- bzw. trans*feindliche, klassistische, ableistische Äußerungen und Schimpfwörter.         
  • No Drugs! Das Camp und die Aktion sind prinzipiell ein drogenfreier Raum. Der Konsum von nicht illegalisierten Drogen ist im Rahmen eines achtsamen Konsums NUR an ausgewiesenen Orten möglich.
  • Wir bitten ausdrücklich darum, vor und während der Aktion keine Drogen zu konsumieren. Bei Tabakkonsum, achtet bitte darauf, dass ihr keine Menschen zum Passivrauchen zwingt. Medikamente sind dabei keine Drogen und nicht von der Regel betroffen.         
  • Wir wollen auf dem Camp und in der Aktion keine Partei- oder Nationalflaggen sowie keine nationalen Symbole
  • Bitte verzichtet als weiße Menschen auf die Aneignung von kulturellen         oder religösen Symbolen und Praktiken
  • Bitte macht nicht ungefragt Fotos. Wir wünschen uns einen respektvollen Umgang mit der Privatsphäre und dem Sicherheitsbedürfnis von anderen.       
  • Geht nicht aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes davon aus, dass ein Mensch eine bestimmte Sprache spricht oder nicht spricht. Wenn deutsch zum Beispiel eure Umgangssprache ist, sprecht bitte jeden Menschen auf dem Camp zuerst auf deutsch an, selbst wenn ihr vermutet, dass diese Person eventuell kein deutsch spricht.                   
  • Haltet euch zurück, wenn ihr Neugier empfindet, welche Herkunft oder Identität hinter dem Äußeren einer Person steckt. Menschen können selbst entscheiden, was und wann sie etwas Persönliches von sich preisgeben wollen und brauchen dafür keine Mutmaßungen.
  • Wenn ihr als weiße Menschen Filzlocken (locks) tragt, bedeckt sie bitte auf dem Camp und in Aktionen von Ende Gelände. White Locks sind eng mit kultureller Aneignung verbunden.
  • Seid bitte auch bei anderen kulturellen Symbolen sensibel dafür, ob und wie ihr sie euch aneignet und instrumentalisiert sie nicht, ob bei Ende Gelände und anderswo. Das betrifft zum Beispiel Warbonnets, Bindis, Kimonos und „Afro“-Perücken. Setzt euch mit dem Thema kulturelle Aneignung auseinander.

 

6 – Wir sehen uns auf den Camps und der Aktion

Wir wünschen viel Spaß beim Lernen und Erleben auf den Camps und der Aktion und freuen uns darauf, dich dort zu sehen. Du kannst uns zudem Rückmeldungen, Fragen und Anmerkungen zu unserer Awareness-Arbeit per Mail an awareness-ruegen23@systemli.org schicken. Sehr gern auch mit zeitlichem Abstand zum Camp. Diese werden wir dann auch nach dem Camp auswerten und reflektieren.
Eure Awareness Crew
Anmerkung: Diese Übersicht entspricht im wesentlichen der Übersicht des Awarenesskonzeptes vom System Change Camp 2023 in Hannover. Wir haben das Konzept übernommen, zu Teilen überarbeitet und angepasst. Das Konzept wurde von einer überwiegend weiß positionierten Gruppe verfasst und von einer ausschließlich weiß positionierten Gruppe überarbeitet. 

 

Quellen:

– Awareness Konzept des SCC 2022
– Awareness Konzept des SCC 2023
– Awareness Konzept des Stop Deportation Camps 2023
– Missy Magazine – Unser Glossar gegen die Angst vor Wörtern
– „White Privilege: Den unsichtbaren Rucksack auspacken“ von Peggy McIntosh 1988